Umfassende Demokratie:  Die Antwort auf die Krise der Wachstums-und Marktwirtschaft


TEIL I: DIE KRISE DER WACHSTUMSWIRTSCHAFT


 

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KAPITEL 3 : Die Wachstumswirtschaft und der Süden

 

Die konventionellen Entwicklungswissenschaftler - gleich ob Liberale, Marxisten, Anhänger der Abhängigkeits- oder der Regulationstheorien - machen sich Gedanken darüber, wie die Wachstumswirtschaft des Nordens noch effizienter auf den Süden ausgedehnt werden kann. Meiner Meinung nach ist das „Entwicklungsproblem“ ein ganz anderes. Hauptursache der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Krisen, von denen die große Mehrheit der Menschen geplagt wird, ist doch gerade diese Ausbreitung der Wachstumswirtschaft. Nach dem Entstehen der Marktwirtschaft vor 200 Jahren in Europa erzwang ihre Wachse-oder-stirb-Dynamik eine Ausbreitung über die ganze Welt. Doch während die im Norden heimische Marktwirtschaft dort in Form der 40-Prozent-Gesellschaft aufblühte, führte ihr Import im Süden zu einer weit ungleichmäßigeren Entwicklung und zu einer schlechten Kopie einer Wachstumswirtschaft. Der multidimensionalen Krise des Nordens entspricht im Süden eine veritable ökonomische, ökologische und soziale Katastrophe.

Ich will mich in diesem Kapitel zunächst dem Versagen der Wachstumswirtschaft im Süden zuwenden und insbesondere auch den Mythos vom ostasiatischen „Wirtschaftswunder“ beleuchten. Anschließend werde ich darlegen, wie üblicherweise Entwicklung verstanden wird und welche Gründe für das Scheitern des Südens genannt werden. All diese Ansätze leiden nämlich daran, dass sie die Wachstumswirtschaft für ein im Interesse der menschlichen Wohlfahrt erstrebenswertes Ziel und darüber hinaus für ein universell einsetzbares Mittel halten. Und soweit einige der radikaleren Denker hier Einschränkungen anbringen, so beziehen sich diese auch nur auf die kapitalistische Variante der Wachstumswirtschaft.

 

Dann werde ich mich kurz der ökologischen Seite der Entwicklungsproblematik zuwenden, um abschließend deutlich zu machen, warum man in dem Scheitern des Südens nicht ein Versagen der importierten Wachstumswirtschaft oder überhaupt ein „Entwicklungsproblem“ sehen sollte, sondern ein Demokratieproblem. Wenn mittlerweile die Mehrzahl der Menschen im Süden wie im Norden nicht einmal mehr ihre elementarsten Bedürfnisse stillen kann, so belegt das doch nur, dass das so genannte Dilemma „Wachstumswirtschaft oder Gleichgewichtswirtschaft“ die falsche Alternative ist. Beide, Norden wie Süden (man sollte sie übrigens im Lichte des globalen Charakters der heutigen Markt- und Wachstumswirtschaft neu definieren), stehen vor dem gleichen Problem: Wie schaffen wir neue politische, ökonomische und soziale Strukturen für eine umfassende Demokratie, um damit endlich die kollektiv verstandenen sozialen, ökonomischen und kulturellen Bedürfnisse befriedigen zu können?

 

Das Scheitern der Wachstumswirtschaft im Süden


 

Die Ausbreitung der Wachstumswirtschaft

 

Als die Entkolonisierung nach dem Zweiten Weltkrieg dem Süden die politische „Unabhängigkeit“ bescherte, setzte sich die bereits in der Kolonialzeit begonnene Ausbreitung der Marktwirtschaft fort und führte zu einer Ausbreitung der Wachstumswirtschaft. Analog zur Entwicklung im Norden ergab sich daraus eine kapitalistische oder eine sozialistische Wachstumswirtschaft, je nachdem welche Klassenallianzen sich in den neu entstandenen Staaten formiert hatten. Gleichzeitig übernahm auch im Süden die Wachstumsideologie nebst der zugehörigen Naturbeherrschungsideologie die Führungsrolle, wobei sie - genau wie im Norden - sich mit der liberalen Ideologie zur kapitalistischen Wachstumswirtschaft und mit der sozialistischen Ideologie zur sozialistischen Wachstumswirtschaft verband. Die Letztere ist allerdings selbst dort, wo kommunistische Parteien noch das politische Monopol behaupten (China, Laos, Vietnam etc.), auf dem Rückzug.

 

Die Verbreitung der Wachstumswirtschaft im Süden hat in einer schmählichen Pleite geendet - vor allem weil sie, ohne lokale Wurzeln zu besitzen, sich aus zwei Quellen speiste:

(a) die von den Kolonialeliten aggressiv betriebene Einführung der Markt­wirtschaft und

(b) der „Import“ (durch die neu entstandenen heimischen Eliten) und das darauf folgende Aufkommen der Wachstumswirtschaft nach dem Krieg.

Wie sehr die Wachstumswirtschaft im Süden versagt hat, wird klar, wenn man die heutige Konzentration der Produktion auf den Norden ins Auge fasst - wobei ich unter „Norden“ die OECD-Länder verstehen möchte, die von der Weltbank als „einkommensstarke Länder“ klassifiziert werden, also die USA, Kanada, Japan, Australien, Neuseeland, Norwegen, die Schweiz sowie die EU ohne Griechenland und Portugal. Obgleich im Norden nur 16% der Weltbevölkerung leben, beträgt der Produktionsanteil ca. 74% und der Exportanteil 63%.[1] Weit davon entfernt, die Wohlfahrt der Völker des Südens zu fördern, hat die dortige Einführung der Wachstumswirtschaft die Kluft zwischen Nord und Süd sogar noch dramatisch vergrößert, wie man auch sieht, wenn man die gerade bei den Verteidigern der Wachstumswirtschaft beliebte Maßeinheit (nämlich das Pro-Kopf-BNP) heran zieht. Im Jahr 1978 war das Pro-Kopf-Einkommen im Norden 40 mal höher als in den ärmsten Ländern des Südens (welche 35% der Bevölkerung umfassen) und immer noch 6,5 mal höher als in den Ländern mit mittlerem Einkommen (und 49% der Bevölkerung). Bis 1997 hatte sich dieser Abstand etwa verdoppelt,[2] nämlich auf das 73fache bzw. das 14fache.

 

Wie sich aus diesen Gegebenheiten schließen lässt, ist die Marktwirtschaft einfach per se unfähig, die Volkswirtschaften des Südens in eine Wachstumswirtschaft nach nördlichem Muster zu verwandeln, mit einer konsumorientierten Mittelklassenposition für 40% gut und 30% immer noch passabel versorgte Bevölkerungsteile, wo selbst die Letzteren bei aller Unsicherheit immer noch weitaus besser dastehen als die überwältigende Mehrheit der Menschen im Süden. Dies zeigt auch ein Vergleich der Armutsstatistiken. 1985 musste selbst die Weltbank, nicht gerade als Vorkämpferin für die „Verdammten dieser Erde“ bekannt, einräumen, dass ein Drittel der Südbevölkerung unter die Armutsgrenze fällt,[3] während es im Norden nur ca. 13% waren - so 1985 in der EU ohne Griechenland und Portugal 13,6%[4] und 1988 in den USA 13%.[5] Und diese Zahlen (neuere kenne ich nicht) beziehen sich auf die Mitte der 80er Jahre, als der neoliberale Konsens noch nicht einmal universelle Gültigkeit besaß. Seither scheint sich die Lage eher noch verschlechtert zu haben.

Der berühmte Sicker- oder „Pferdeapfel“-Effekt (der besagt, das durch Wirtschaftswachstum generierte zusätzliche Volkseinkommen würde nach und nach alle Bevölkerungskreise erreichen) mag vielleicht teilweise im Norden funktioniert haben - im Süden jedenfalls nicht. Ted Trainer führt aus:

Mit der Entwicklung auf der Grundlage eines ungesteuerten Wachstums mit Sickereffekt war eine wesentliche Verbesserung von Lebenserwartung, Kindersterblichkeit, Analphabetenrate und BNP verbunden. Doch waren diese Segnungen extrem ungleich verteilt. ... In der jüngeren Literatur findet man an die 120 Belege dafür, dass die Entwicklung in der Dritten Welt den Lebensstandard der ärmsten 40% praktisch nicht verbessert hat, jedoch so gut wie keine gegenteiligen Äußerungen.[6]

Nach Schätzungen Ted Trainers vereinnahmen 10% der Bevölkerung in den ärmsten Ländern des Südens mehr als 33% der Einkommen,[7] was auch die Weltbank bestätigt hat.[8] Für die 70er und 80er Jahre hat erwiesener Maßen kaum jemals ein Sickereffekt stattgefunden. Schriebe man etwa die Wachstumszahlen der Jahre 1965-84 (zu denen die besten Jahre des Kapitalismus gehören) fort, so würde es über 300 Jahre dauern, bis das Pro-Kopf-Einkommen in den ärmsten 28 Ländern auch nur die Hälfte des jetzigen Wertes in den reichen Ländern des Westens erreicht hätte.[9]

 

Doch der Sickereffekt hat sich auch im Norden merklich abgeschwächt, nicht nur infolge der Rezession der 90er Jahre, sondern vor allem infolge der intensivierten Vermarktlichung der neoliberalen Marktwirtschaft und der damit verbundenen verschärften Einkommensungleichheit. Es hat sich also (ich komme darauf noch zurück) eine „Nord-Süd-Kluft“ neuen Stils aufgetan, die quer zu dem alten geografischen Muster verläuft. So sprechen Daten der britischen Sozialbehörden, in denen erstmalig aufgeschlüsselt ist, wie sich die verschiedenen Einkommensklassen während der Wachstumsphase 1979-92 entwickelt haben, bezüglich des Sickereffekts eine deutliche Sprache. Während das Realeinkommen des ärmsten Zehntels um 17% zurückging und sich beim zweitärmsten Zehntel nicht veränderte, wuchs es im zweitobersten Zehntel um 46% und ganz oben sogar um 62%. Im Durchschnitt stiegen die Einkommen zwar um 36%, doch lag bei 70% der Bevölkerung der Zuwachs - wenn er denn überhaupt eintrat - unter diesem Durchschnittswert![10]

 

Ich will damit nicht sagen, es habe im Süden gar keine Entwicklung zur Wachstumswirtschaft stattgefunden - ganz im Gegenteil. Eine ökonomische Dezentralisierung ist innerhalb des Weltmarktes im vollen Gange. Entscheidend dabei sind aber finanzielle und technologische Faktoren, die es den Multis ermöglichen, ihre Kosten (vor allem für Arbeit und Umwelt) dadurch zu minimieren, dass sie ihre Produktionen ganz oder teilweise in Länder des Südens verlagern. Das hat zwar in einer Handvoll dieser Länder zu einer Art „Wirtschaftswunder“ geführt, doch lassen sich diese Gewinne weder verallgemeinern noch unbegrenzt aufrecht erhalten.

 

Die „Wirtschaftswunderländer“ des Südens

 

Das spektakuläre Wachstum, das wir in u.a. Südkorea, Taiwan, Hongkong, Singapur, Malaysia und Thailand beobachten können, hat selbst in den Köpfen einiger selbsternannter „Linker“ einen neuen Mythos entstehen lassen - dass sich nämlich die kapitalistische Wachstumswirtschaft am Ende doch als auf die ganze Welt übertragbar erwiesen habe. Manche[11] reden sogar von einer radikalen Verschiebung des Reichtums und der Produktion vom Westen nach Ostasien, ja vom Norden zum Süden. Dieser Mythos stützt sich im wesentlichen auf die altbekannte Tatsache, dass die „Asiatischen Tigerstaaten“ eine viel höhere Wachstumsrate aufweisen als die entwickelten kapitalistischen Länder und im Begriff sind, ihren bisherigen Rückstand aufzuholen. In der Tat gilt für all diese Länder (nur für Taiwan liegen keine Daten vor), dass ihr Wachstum in der Zeit 1970-93 dreimal höher lag.[12] Dabei wird meist übersehen, dass mit Ausnahme der Stadtstaaten Singapur und Hongkong noch ein riesiger Abstand sie von den Ländern des Nordens trennt. 1993 betrug das Pro-Kopf-Einkommen in Südkorea nur 1/3, in Malaysia 1/7 und in Thailand 1/10 des Einkommens in den entwickelten kapitalistischen Ländern! Man erkennt, dass der Aufholprozess selbst bei Beibehaltung des gegenwärtigen hohen Wachstums noch sehr viele Jahre in Anspruch nehmen wird.

 

Viele Experten, darunter selbst orthodoxe Wirtschaftswissenschaftler, bezweifeln aber, dass dieses Wachstum anhalten kann. Man hat die in den Metropolenländern während analoger Wachstumsphasen gemachten Erfahrungen zum Vergleich herangezogen und erkannt, dass die Tigerstaaten einerseits ihre bislang wenig genutzten Menschenreserven aktiviert und andererseits sowohl von Staats wegen als auch privat massiv in die Infrastruktur investiert haben.[13] D.h. aber, diese Länder sind nicht „intensiv“, sondern „extensiv“ gewachsen. Nur der erstere Wachstumstyp, bei dem die Produktivität entwickelt wird, kann aber auf Dauer durchgehalten werden; der letztere stützt sich auf bereits vorhandene Ressourcen, die früher oder später erschöpft sein müssen. Um wieviel schwieriger intensives Wachstum ist als extensives, hat sich zuletzt in Osteuropa erwiesen. Die historische Erfahrung spricht jedenfalls dagegen, dass die wirtschaftliche Expansion der Asiatischen Tiger noch lange anhält.

 

Noch stärker werden diese Zweifel, wenn wir den Verhältnissen in Asien die Wachstumsprozesse in der „sozialistischen“ Wachstumswirtschaft gegenüber stellen. In Osteuropa war das Wachstum ein Ergebnis der zentralen Planung, in Asien hingegen vom Export getragen. Allerdings galt dort nicht etwa das laissez-faire. Wie zahlreiche Untersuchungen zeigen,[14] verdanken die Tigerstaaten ihr Wachstum massiven staatlichen Interventionen zu Gunsten der Exportwirtschaft sowie einer Wirtschaftspolitik, die nicht nur extrem protektionistisch war,[15] sondern auch Handel und Investitionen durch Preismanipulationen anzuregen suchte.[16]

 

Genau diese Art von Etatismus ist aber - wir haben es in den beiden vorigen Kapiteln gesehen - in der heutigen internationalisierten Marktwirtschaft nicht mehr möglich - um so weniger, als das Wachstum dieser Länder in viel stärkerem Maße vom Export abhängig ist als das der entwickelten kapitalistischen Länder des Westens. Wenn wir festhalten, dass sich das Verhältnis von Exporten zu Einkommen zwischen 1970 und 1993 im Durchschnitt der Tigerstaaten von 53% auf 92%, im Westen aber nur von 14% auf 20% erhöht hat,[17] dann erkennen wir über die vergleichsweise höhere Verwundbarkeit der asiatischen Länder hinaus eine grundsätzliche Asymmetrie. Während nämlich das Wachstum in den Tigerstaaten entscheidend von der Nachfrage im Norden abhängt, trifft der umgekehrte Fall nicht zu.

 

Wenn aber die Existenz des „Wirtschaftswunders“ in den Tigerstaaten Asiens so entscheidend vom Westen abhängt, dann kann dieses auch nicht, wie ex-marxistische Sozialliberale meinen,[18] gleichbedeutend sein mit dem „Ende des Westens“. Diese Mär vom „Ende des Westens“ ist vermutlich auch dann ein Mythos, wenn wir Japan mit einbeziehen, eines der Gründungsmitglieder des Clubs der Kapitalisten, was die Tigerstaaten nicht sind. Denn das Wunder Japan ist anscheinend auch am Verblassen: Das dortige Wachstum ist im Langzeitdurchschnitt von 9,4% p.a. 1960-97 über 4% 1980-90 auf 1,4% 1990-97 zurück gegangen.[19] Hinzu kommt eine rasch ansteigende Arbeitslosigkeit,[20] die es früher so gut wie gar nicht gab. Das Investititionskapital sucht sich eben flexiblere Volkswirtschaften.

 

In Wirklichkeit eröffnen uns die Asiatischen Tigerstaaten, wo es keinen Wohlfahrtsstaat und keine Zivilgesellschaft gibt, einen Blick auf das, was dem Norden in Bezug auf politische und Wirtschaftsdemokratie ins Haus steht. Die Vereinheitlichungstendenzen der internationalisierten Konkurrenzwirtschaft erfassen nicht nur die Wirtschaft, sondern die ganze Gesellschaft. Die Zukunft der marktwirtschaftlichen Welt - so viel lässt sich vorhersagen - besteht aus einer Synthese des angelsächsischen Liberalismusmodells mit dem asiatischen „Wirtschaftswunder“: Die fast völlige Abschaffung der Zivilgesellschaft, ein paar Sicherheitsnetze für die Armen, aber mehr und mehr privat betriebene Gesundheits-, Bildungs- und Versicherungssysteme für diejenigen, die es sich leisten können.

 

Die Wachstumswirtschaft und das Entwicklungsproblem

 

Betrachtet man das Entwicklungsproblem, so lautet die Grundfrage nicht, warum die Wachstumswirtschaft im Süden nicht so erfolgreich ist wie im Norden, sondern vielmehr, warum ein für den Norden entwickeltes Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell überhaupt als allgemein übertragbar und wünschenswert gelten sollte. Was die Übertragbarkeit angeht, so haben wir gesehen, dass die Erfolgschancen dafür bei Null liegen. Und die Wünschbarkeit? Wie 200 Jahre Geschichte uns unmissverständlich klar gemacht haben, wurden uns durch den Erfolg und die weltweite Ausbreitung der Marktwirtschaft sowie die nachfolgende Wachstumswirtschaft zahlreiche Probleme beschert: eine massive Konzentration wirtschaftlicher Macht; eine ökologische Krise, die in eine Katastrophe zu münden sich anschickt; Zerstörung der Landschaft; monströs wuchernde Megastädte und die Entwurzelung lokaler Gemeinschaften und Kulturen. Offensichtlich dient dieses Wirtschaftssystem nur teilweise und für eine winzige Minderheit der Weltbevölkerung der Bedarfsbefriedigung und Wohlstandssteigerung, wohingegen es gleichzeitig eine Hierarchiegesellschaft entstehen lässt, die sich auf wirtschaftliche Macht, Konkurrenz, Habgier und Individualismus stützt.

 

Nichtsdestoweniger akzeptieren Liberale wie Marxisten (einschließlich der Abhängigkeits- und Regulationstheoretiker) explizit oder implizit die Ideologie der Wachstumswirtschaft. Allenfalls streiten sie sich darum, wie man sie praktizieren sollte - mit dem Kapitalismus oder mit einem sozialistischen Etatismus. Indem man davon ausgeht, dass wir die Wachstumswirtschaft allgemein einführen können und auch wollen, ignoriert man die damit verknüpften Machtstrukturen und -beziehungen¸ übersieht man, dass aus der mit jeder Form der Wachstumswirtschaft untrennbar verbundenen Machtkonzentration das Entscheidungsrecht darüber, welche Bedürfnisse eine Gesellschaft legitimer Weise hat und wie sie zu decken sind, nicht beim Volk selbst liegt, sondern bei der politischen und Wirtschaftselite. Kein Wunder also, dass diese Theorien vorwiegend um die Frage kreisen, ob ein Land bereits das Stadium der Wachstumswirtschaft wie im Norden erreicht hat (dann gilt es als „entwickelt“) oder noch nicht (dann ist es „unterentwickelt“ oder wird mit dem Euphemismus „Entwicklungsland“ belegt). In Analogie dazu definiert man als Wachstum die quantitative Expansion einer fortgeschrittenen Volkswirtschaft gemessen am Realeinkommen, als Entwicklung hingegen alle für die Umwandlung in eine fortgeschrittene Wachstumswirtschaft erforderlichen qualitativen sozialen und ökonomischen Veränderungen.

 

Alle Definitionen des Begriffs „Entwicklung“ stimmen also darin überein, dass menschliche Wohlfahrt identifiziert wird mit individuellem Konsum, oder allgemein gesagt mit der unbegrenzten Entwicklung der Produktivkräfte. So erklärt eine typische liberale Definition Entwicklung als „die Zunahme des durchschnittlichen (gewichteten) Konsums pro Kopf der Bevölkerung“.[21] Für Marxisten ist Entwicklung gleichbedeutend mit der Entwicklung der Produktivkräfte; bei Unterentwicklung herrschen vorkapitalistische Produktionsweisen vor, was als rückständig angesehen wird.[22] Die Abhängigkeitstheoretiker definieren Unterentwicklung als Abhängigkeit und diese wiederum als „eine Bedingtheitslage, bei der die wirtschaftlichen Vorgänge in einer Ländergruppe von der Entwicklung und Expansion anderer Volkswirtschaften gesteuert werden“.[23] Die junge Regulationsschule schließlich definiert als „Peripherie ... denjenigen Teil der Welt, wo das Akkumulationsregime, das in den höchstentwickelten kapitalistischen Ländern vorherrscht, noch nicht Wurzeln schlagen konnte“.[24] Auch hier ist es entlarvend, dass selbst dort, wo orthodoxe und radikale Volkswirtschaftler neuartige Definitionen und Entwicklungsmaßstäbe diskutieren, sie wiederum achtlos über die Frage der Machtstrukturen und -beziehungen hinweg gehen - beispielsweise bei solchen Definitionen, die auf die Komponenten der Entwicklung abzielen (was wird produziert) oder die die distributive Seite betonen (für wen wird produziert). Was sind Bedürfnisse, wer hat sie, wie sollen sie befriedigt werden - alle diese Fragen können angeblich „objektiv“, ohne Rückgriff auf einen authentisch demokratischen Prozess, beantwortet werden. „Objektiv“ bedeutet aber nur, dass die „Lösung“ dieser Kernfragen entweder (wie in der Marktwirtschaft ) der „Rationierung über die Brieftasche“ oder (wie im Staatssozialismus) bürokratischen Planungsentscheidungen überlassen bleibt.

 

Der folgende Überblick über die theoretischen Erklärungsversuche der Ursachen für „Unterentwicklung“ demonstriert den engen Blickwinkel, den sowohl die orthodoxen wie die radikalen Verfechter der Wachstumswirtschaft einnehmen.

 

Die herkömmlichen Entwicklungstheorien


 

Die klassischen Ansätze

 

Die Ursprünge der modernen Wachstumstheorien finden sich in den Schriften der Merkantilisten und der Physiokraten. Dass gerade das Wachstum im 18. und 19. Jahrhundert im Zentrum des Denkens stand, war natürlich kein Zufall, denn in dieser Zeit entstand ja zunächst die Marktwirtschaft und anschließend die Wachstumswirtschaft. Die Merkantilisten erwarteten ökonomischen Fortschritt vor allem vom Wachstum - und zwar nicht pro Kopf, sondern insgesamt gesehen - und sprachen sich deshalb für staatliche Interventionen zur Förderung des Wachstums aus.[25] Als sich dann die Wachstums- und Marktideologie verbreitete und die Physiokraten auftraten, verlagerte sich das Schwergewicht auf Kapitalakkumulation und laissez-faire. Während jedoch die Physiokraten den Wachstumsmotor in der landwirtschaftlichen Kapitalakkumulation erblicken, wo allein ein ökonomischer Überschuss erwirtschaftet werden könne, wies seit Adam Smith die Schule der klassisch-liberalen Ökonomen diese Rolle der Industrie zu - und entsprach damit den Bedürfnissen der Industriellen Revolution, die die Grundlagen für die moderne Wachstumswirtschaft gelegt hatte.

 

Adam Smith sah die Quellen des Wachstums im technischen Fortschritt und in der Kapitalakkumulation. Der Fortschritt vergrößert die Produktivität und sorgt für verstärkte Arbeitsteilung, und beide hängen von der Marktgröße und von der Kapitalakkumulation ab. Deren Bedeutung wiederum liegt darin, dass sie nicht nur - über die Ausrüstung - für höhere Arbeitsproduktivität sorgt, sondern auch die Arbeitsplätze schafft, von denen wiederum die Marktgröße und der Grad der Arbeitsteilung abhängt.

Smiths Theorie wurde dann, ebenso wie die gesamte Wachstumstheorie, weiter ausgebaut - am eindrucksvollsten durch David Ricardo. Hier ragt vor allem seine Beschreibung des Prozesses hervor, durch den der Bevölkerungsdruck auf die natürlichen Ressourcen das Wachstum schließlich zum Stehen bringt. Zwar sah er durchaus auch Gegenkräfte wie Außenhandel und technischen Fortschritt am Werk, die den Bremsprozess hinauszögern könnten, doch auf lange Sicht musste der stationäre Zustand erreicht werden.

Derjenige, auf den sich das klassische Verständnis des Wachstumsprozesses als einer unaufhaltsamen Bewegung hin zu einem stationären Zustand am stärksten stützte, war Malthus und sein Bevölkerungsprinzip. Ihm lag die Hypothese zu Grunde, der Druck der wachsenden Bevölkerung auf den endlichen Vorrat an natürlichen Ressourcen müsse à la longue den technischen Fortschritt hinter sich lassen, vor allem im Ackerbau. Sofern also „präventive“ Eingriffe (weniger Heiraten, sexuelle Enthaltsamkeit etc.) unwirksam blieben, würden „positive“ Bremsen (Hunger und Massenelend) zum Zuge kommen. Für Malthus gab es also eine eindeutig kausale Beziehung zwischen der Ursache Übervölkerung und der Folge Armut. Nun lag diesem Prinzip, das die Armen für ihr Elend selbst verantwortlich machte, implizit die Anerkennung der existierenden Machtstrukturen der Wachstumswirtschaft zu Grunde. In Wirklichkeit schuf aber der Bedarf der aufkommenden Wachstumswirtschaft an billigen Arbeitskräften mit Unterstützung durch die enclosure-Bewegung (die Einfriedung von Gemeindeland durch die örtlichen Grundherren) ein riesiges Heer landloser Bauern und furchtbare Armut - und hierüber sah Malthus großzügig hinweg. Von den Einfriedungen, die in England bereits im 12. Jahrhundert eingesetzt hatten und zwischen 1750 und 1860 ihren Höhepunkt erreichten, ging ökonomisch gesehen eine zweifache Wirkung aus: Zum einen eröffnete sie den reichen Grundbesitzern Gewinnchancen aus Ackerbau oder Schafzucht, zum anderen zwang sie viele Kleinbauern dazu, ihre Höfe zu verkaufen und in die Städte zu ziehen, um dort in den neuen Fabriken zu arbeiten.

 

Die Neo-Malthusianer und der Mythos von der „Übervölkerung“

 

Heute nun gibt es im Süden eine den enclosures vergleichbare Entwicklung, wo nach dem Eindringen der Markt- und Wachstumswirtschaft die herkömmlichen lokalen Wirtschaftsordnungen aufgelöst werden. Das aber übersehen unsere Neo-Malthusianer völlig. Ted Trainer schreibt[26]: „1961 waren in Lateinamerika 11% der Menschen ohne Land, doch 1975 bereits 40%. ... Unverändert gehören in der Dritten Welt ca. 80% des landwirtschaftlich nutzbaren Landes nur ca. 3% der Bevölkerung.“ Doch die Neo-Malthu­sianer, unterstützt von einigen grünen Öko-Faschisten, suchen die Schuld für das Elend des Südens in der „Übervölkerung“. Auch die Tiefenökologen haben diese These übernommen und reden von einer „Bevölkerungsbombe“,[27] die „durch einen Vorstoß zur Verringerung der Geburtenrate vor allem in der Dritten Welt“[28] entschärft werden müsse, wobei selbst der Entzug von Entwicklungshilfe nicht ausgeschlossen wird![29]

 

Wo liegt nun die Wahrheit hinter dem Mythos von der Übervölkerung? Zweifellos hat die Weltbevölkerung in den letzten beiden Jahrhunderten rapide zugenommen. Dass diese Beschleunigung des Bevölkerungswachstums genau mit der Ausbreitung der Markt- und Wachstumswirtschaft über die ganze Welt parallel ging, ist jedoch kein Zufall. Von 1800, als die Zahl 1 Milliarde betrug, hatte sie sich in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts verdoppelt und in den 70ern abermals verdoppelt; bis ca. 2020 wird eine weitere Verdoppelung erwartet.[30] Ob sich der Trend in diesem Jahrhundert aber wirklich so fortsetzen wird, ist zumindest zweifelhaft. Innerhalb der letzten 25 Jahre, also eines sehr kurze Zeitraums, ist die „Gesamtfertilität“ (das ist die Anzahl Kinder, die eine bis zum Ende ihrer fruchtbaren Periode lebende Frau entsprechend den jeweiligen altersspezifischen Fertilitätsraten gebären würde) im Süden dramatisch zurück gegangen und hat sich etwa halbiert. In den ärmsten Ländern, in denen zwei Drittel der Menschen des Südens leben, fiel die Gesamtfertilität zwischen 1970 und 1995 von 5,9 auf 3,2; im Rest des Südens fiel sie von 4,5 auf 3.[31] Dabei spielte allerdings ökonomischer und physischer Druck eine wichtige Rolle, nämlich in den „Familienplanungsstrategien“ vor allem gegen unerwünschte Mädchengeburten in China und Indien. So kamen in Indien nach der jüngsten Statistik 1991 auf je 1000 Männer nur 929 Frauen, während es 1981 noch 934 gewesen waren und in den entwickelten kapitalistischen Ländern 1060 sind.[32] Ebenso wichtig war gewiss auch die Verbreitung von Verhütungsmitteln und die Fernsehpropaganda. So kann es nicht überraschen, dass bereits am ersten Tag der Weltbevölkerungskonferenz von Kairo - die bekanntlich zum Ziel hatte, der angeblichen Bevölkerungsexplosion im 21. Jahrhundert durch das Herabdrücken der Fertilitätsrate im Süden vorzubeugen - die führenden Demographen verkünden konnten, ihre neuesten Ergebnisse würden auf ein Ende der globalen Zunahme hindeuten.[33] Das Medienecho war allerdings recht gedämpft.

Es lässt sich auch leicht zeigen, dass nicht die mangelnde Nahrungsmittelkapazität dafür verantwortlich ist, wenn an Hunger und den damit zusammen hängenden Krankheiten täglich 40.000 Menschen sterben müssen.[34] Nach David Satterthwaite vom Internationalen Institut für Umwelt und Entwicklung haben „die Strukturen des Grundeigentums und die ökonomischen Prozesse den ‚Hungrigen‘ die Möglichkeit genommen, ihre Nahrungsmittel zu produzieren oder wenigstens kaufen zu können“.[35] Und natürlich lässt sich auch bei größter Phantasie die Bevölkerungsentwicklung nicht für die Erschöpfung der Ressourcen (ob erneuerbar oder nicht) oder für das ökologische Desaster (siehe Treibhauseffekt und Zerstörung der Ozonschicht) verantwortlich machen. Die Gründe für die gegenwärtige Krise sind ja kaum noch umstritten. Man braucht doch nur zu sehen, dass zwischen Konsumhöhe und Umweltzerstörung ein direkter Zusammenhang und zwischen Konsumhöhe und Fertilität ein inverser Zusammenhang besteht (die Einkommensgruppen mit der geringsten Kinderzahl sind gleichzeitig diejenigen mit dem höchsten Konsum). Es ist also die Konzentration von Einkommen und Besitz, die für Hunger und Armut und für die Umweltzerstörung verantwortlich sind und darüber hinaus auch für die große Kinderzahl bei den untersten Einkommensschichten. Die Schuld an der gegenwärtigen ökonomischen, ökologischen und demographischen Krise trägt niemand anders als die Wachstumswirtschaft.

 

Aus dem selben Grund sind auch die beiden Ansätze, auf denen das auf der Konferenz von Kairo verabschiedete 20-Jahres-Aktionsprogramm beruht, irrelevant. Der erste, den man als das Prinzip der wirtschaftlichen Entwicklung bezeichnen kann, sieht in wirtschaftlicher „Entwicklung“, d.h. im weiteren Ausbau der Wachstumswirtschaft, den besten Weg zur Lösung des „Bevölkerungsproblems“. Er stützt sich auf die im Norden gemachten Erfahrungen und geht davon aus, dass die Bevölkerungsentwicklung drei Phasen durchläuft: In der ersten, vorindustriellen Phase sind Geburts- und Sterberaten hoch und die Bevölkerungszahl einigermaßen stabil. Dann wird das Land industrialisiert, die Lebens- und insbesondere die hygienischen Bedingungen verbessern sich, die Sterberate fällt und die Bevölkerung wächst rasch an. Diese „Explosion“ wird aber nur als temporär angesehen: Mit verbesserter Bildungs- und Gesundheitsversorgung sinken meist auch die Geburtenraten, und das Bevölkerungswachstum stabilisiert sich auf einem niedrigen Wert. So ist die Entwicklung im Norden gelaufen, und Ähnliches erwartete man auch für den Süden.

 

Doch auch wenn im Süden Geburts- und Sterberaten in der Tat zurückgegangen sind, so ist doch die Fertilität dort immer noch doppelt so hoch wie im Norden. Für 1995 galten folgende Zahlen: In den Ländern mit dem niedrigsten Einkommen (ohne China und Indien) 5,0; dto. mit China und Indien 3,2; in den Ländern mit mittlerem Einkommen 3,0; in den reichen Ländern des Nordens 1,7).[36] Und man kann nicht ernsthaft erwarten, dass dieser Unterschied in absehbarer Zeit verschwindet. Es wird heute praktisch allgemein anerkannt, dass Übervölkerung eine Folge der Armut, nicht ihre Ursache ist - so auch (implizit oder explizit) von den Anhängern des Weges der wirtschaftlichen Entwicklung auf der Kairoer Konferenz. Julian Simon beispielsweise[37] sieht kaum Hinweise dafür, dass Bevölkerungswachstum ein Land ärmer macht. Auch eine andere Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass in den letzten 25 Jahren vor allem diejenigen Programme zur Kontrolle des Bevölkerungswachstums erfolgreich waren, die auf eine Verminderung der Armut abzielten.[38] Damit ist natürlich nicht gesagt, dass Armut die einzige Ursache für hohe Fertilität sei. Die Entwicklung einer Bevölkerung hängt von einer Vielzahl Faktoren ab - von sozialen (Familienplanung, Gebrauch von Verhütungsmitteln etc.), kulturellen (Religion, Traditionen etc.) und wirtschaftlichen Faktoren. Von den Letzteren ist natürlich die Armut am wichtigsten.

 

Ein weit gefasster Armutsbegriff bezieht sich auf die Verteilung von Einkommen und Arbeit sowie auf die Qualität der sozialen Dienste (vor allem Gesundheit und Bildung). Man kann zeigen, dass die Armut wahrscheinlich der wichtigste Wirkungsfaktor zur Erklärung der Fertilitätsunterschiede zwischen den einzelnen Ländern ist - am deutlichsten, wenn wir als Wohlstandsmaß das von der Weltbank und anderen internationalen Institutionen verwendete Pro-Kopf-Einkommen heranziehen. Dieses Maß ist natürlich höchst unvollkommen und wird daher von progressiven Wirtschaftswissenschaftlern aller Richtungen zu Recht kritisiert. In der Regel spiegeln jedoch signifikante Unterschiede in den Pro-Kopf-Einkommen (etwa zwischen den Ländern mit den niedrigsten und den höchsten Werten, die 1995 ein Verhältnis von 1:58 aufwiesen) auch entsprechende Unterschiede in den oben definierten Armutsfaktoren (Arbeitslosigkeit, Realeinkommen, Sozialdienste etc.) wider, die ihrerseits Rückwirkungen auf die für die Bevölkerungsentwicklung relevanten sozialen und kulturellen Faktoren haben. Es besteht in der Tat eine starke Korrelation zwischen Armut und Fertilität: je höher das Pro-Kopf-Einkommen, desto niedriger die Fertilität. In den Ländern mit niedrigem Pro-Kopf-Einkommen (1995, ohne China und Indien, $ 430) war die Fertilität 5,0 und hat somit seit 1970 um 15% abgenommen; in den Ländern mit mittlerem Einkommen ($ 2.390) betrug sie 3,0 (33% Rückgang seit 1970), in denen mit dem höchsten Einkommen ($ 24.930) nur noch knapp 1,7 (26% Rückgang seit 1970).[39] Da aber infolge der Ausbreitung der Wachstumswirtschaft die Einkommensunterschiede sich nicht etwa verringern, sondern sogar noch verschärfen und der Sickereffekt im Süden jedenfalls nicht wirksam geworden ist, werden die heutigen beträchtlichen Fertilitätsunterschiede voraussichtlich noch lange Zeit anhalten - eben solange die riesigen Einkommensunterschiede bestehen.

 

Es gibt aber - als Alternative zum Prinzip der wirtschaftlichen Entwicklung - auch den Ansatz der sozialen Entwicklung, der ebenfalls auf der Konferenz von Kairo empfohlen wurde. Er legt das Schwergewicht weniger auf die wirtschaftliche als vielmehr auf die soziale Entwicklung und sieht vor allem in einer Stärkung der Rolle der Frauen den Schlüssel zur Lösung des „Bevölkerungsproblems“. Leider ist dabei nicht an eine allgemeine Verbesserung ihrer gesellschaftlichen Stellung gedacht (was bei der heutigen Machtkonzentration ohnehin ausgeschlossen ist), sondern es sollen - in den Worten eines grünen Realos und prominenten Mitglieds des britischen Establishments - „die Frauen in die Lage versetzt werden, über ihre eigene Fertilität selbst zu bestimmen“,[40] und zwar indem man ihnen (unter sozialen, ökonomischen und hygienischen Gesichtspunkten) Zugang zu Verhütung und Abtreibungen verschafft. Man geht also davon aus, nicht „Entwicklung“, sondern Verhütung sei das beste Verhütungsmittel; Armutsbekämpfung sei - so derselbe Vertreter - ohnehin kein „realistischer“ Weg zur Lösung dieses Problems. Doch wie ich schon sagte, spielt gerade die Armut im allgemeinsten Sinn eine entscheidende Rolle im Hinblick auf Faktoren der Bevölkerungsentwicklung wie Kindersterblichkeit (die in den reichsten Ländern 10 mal so hoch ist wie in den ärmsten[41]) oder soziale Absicherung im Alter.

 

Angesichts der ins Auge springenden Schwächen dieses alternativen Ansatzes mögen selbst die liberalen Eliten sich nicht ausschließlich darauf stützen und stellen statt dessen fest: „Entwicklung ist nicht das einzige Verhütungsmittel, aber ohne sie erreicht man auch dann nichts, wenn man massenweise Kondome auf die Straße streut“.[42] Das haben wohl auch Bill Clintons Berater aus dem Nationalen Sicherheitsrat verstanden, wenn sie die Bedrohung, die darin liegt, dass vielen Menschen ihre Grundbedürfnisse wie Essen, Trinken und Wohnung vorenthalten werden, als „einen der Hauptantriebe der Instabilität in der Welt“ identifizieren.[43]

Die entwicklungstheoretischen Ansätze der Neoklassiker und der marxistischen Abhängigkeitstheoretiker

Im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts gab es einige wesentliche methodische Veränderungen in der Wirtschaftstheorie. Unabhängig voneinander schufen Jevons, Menger und Walras die damals revolutionäre Grenznutzentheorie. Dabei ging es nicht nur darum, aus der klassischen Politischen Ökonomie eine „wissenschaftliche“ Volkswirtschaftstheorie zu machen, sondern der Schwerpunkt verlagerte sich von den Fragen des Wachstum und der Entwicklung zu dem statischen Problem der Ressourcenallokation unter Effizienzbedingungen. Aus dieser Revolution ging die neoklassische Schule hervor. Doch auch deren Weltbild war weiterhin klassisch, was nicht überrascht, denn die Neoklassiker wollten ja die klassische Wirtschaftstheorie nicht verdrängen, sondern nur verbessern. Das Weltbild, das dem neuen Ansatz zu Grunde lag, war gekennzeichnet von Harmonie (alle Gruppen gewinnen im Wachstumsprozess), Gradualismus (die Entwicklung verläuft in kleinen Schritten, beinahe kontinuierlich), Individualismus (die rationalen Entscheidungen der Einzelnen stellen einen gesellschaftlich rationalen Prozess sicher) und laissez-faire.

Im Unterschied zu ihren klassischen Vorgängern waren die Neoklassiker jedoch optimistisch im Hinblick auf die langfristigen Aussichten der kapitalistischen Wirtschaft. Der technische Fortschritt würde alle Grenzen, die von den endlichen Naturschätzen gesetzt sind, überwinden, und selbst ohne technischen Fortschritt würde bis zum stationären Zustand noch sehr viel Zeit vergehen. Sofern der Markt nur genügend Sparkapital (also hohe Gewinne durch niedrige Produktionskosten, d.h. durch Drücken der Löhne, der Kosten für Umweltschutz etc.) und Investitionsmittel (die dann in den technischen Fortschritt fließen) bereit stellt, kann die Wirtschaft fast unbegrenzt weiter wachsen.

Auf der Seite der linken Theoretiker stellt Marx’ ökonomische Interpretation der Geschichte ein geradezu perfektes Beispiel für Eurozentrismus dar. Seine Einschätzung außereuropäischer Gesellschaften war von seinen europäischen Erfahrungen sowie von der Ideologie der Wachstumswirtschaft gefärbt. Marx selbst setzte - hierin den orthodoxen Gesellschaftswissenschaftlern nicht unähnlich - Fortschritt und Zivilisation mit der unbegrenzten Entwicklung der Produktivkräfte gleich („Die Bourgeoisie reißt durch die rasche Verbesserung aller Produktionsinstrumente, durch die unendlich erleichterten Kommunikationen alle, auch die barbarischsten Nationen in die Zivilisation.“[44]) Darüber hinaus tat er gemäß der Wachstumsideologie alle nicht-europäischen Gesellschaftssysteme ab und bezeichnete sie pauschal mit der „rein geografischen Bezeichnung der ‚asiatischen Produktionsweise‘, die uns statisch, unveränderlich und völlig undialektisch erscheint“.[45] Den Kapitalismus hingegen sah er als ein dynamisches System, das durch die Konkurrenz unter den Kapitalien von sich aus ökonomische Entwicklung generieren kann. Nachdem der Kapitalismus in einigen Metropolen entstanden ist, bringt er Kapitalakkumulation und Entwicklung mit sich und gewinnt einen Vorsprung vor dem Rest der Welt. Darauf hin zwingt die Dynamik der Konkurrenz das Kapital dazu, immer neue Produktionsmethoden zu entwickeln, neue Märkte und Rohstoffquellen zu erschließen etc., und entfesselt so die Kräfte, die in den vom Kapitalismus eroberten Gebieten zu Expansion, Akkumulation und Wirtschaftsentwicklung führen. Das Kapital, so Marx, schafft sich „eine Welt nach seinem Bilde“.[46] Zwangsläufiges Ergebnis dieses Prozesses muss die geografische Ausbreitung des Systems sein, also die Internationalisierung des Kapitals.

Wo aber die orthodoxen Sozialwissenschaftler den Wachstumsprozess in ein Weltbild aus Harmonie. Gradualismus, Gleichgewicht und evolutionärem Wandel einpassten, sah Marx infolge seiner dialektischen Analyse des gesellschaftlichem Wandels den gleichen Prozess vor einem Hintergrund aus Konflikten, kontradiktorischen Kräften und einer unvermeidlichen Revolution, durch welche die Bourgeoisie als Triebkraft des Wandels vom Proletariat abgelöst werden würde. Und selbst für Marx lag der fundamentale Widerspruch des Kapitalismus darin, dass die moderne Produktion gesellschaftlichen Charakter besitzt, die Aneignung des Mehrwerts aber privat erfolgt, und nicht etwa darin, dass schon das Wirtschaftswachstum an sich zur Konzentration ökonomischer Macht und zur Zerstörung der Umwelt führt. Anders gesagt, Marx zielt mit seiner Kritik einzig auf die Marktwirtschaft, während er die Wachstumswirtschaft gänzlich unbeachtet lässt.

Den Entwicklungstheorien der Nachkriegszeit lag ausdrücklich das Ziel zu Grunde, die mit der weltweiten Ausbreitung der Wachstumswirtschaft des Nordens verknüpften Probleme behandeln zu können. Diese Theorien lassen sich unterteilen in die „orthodoxe“ und die „radikale“ Strömung, wobei sich die erstere auf das orthodoxe Paradigma und die letztere auf das marxistische oder das Abhängigkeitsparadigma stützt.

 

Das orthodoxe Paradigma schließt alle Entwicklungstheorien ein, die die Marktwirtschaft als Faktum hinnehmen und von einem evolutionären Prozess in einer harmonischen Welt ausgehen. Sie wiederum lassen sich in die „neoklassische“ und die „strukturalistische“ Richtung unterteilen. Während die Neoklassiker die Rolle der freien Märkte herausstreichen, sind die Strukturalisten (Paul Rosenstein-Rodal, Ragnar Nurkse, Arthur Lewis, Hollis Chenery, Gunnar Myrdal etc.) Anhänger des keynesianischen Etatismus. Beide Richtungen nehmen die Marktwirtschaft als selbstverständlich an und verwenden das tradierte Instrumentarium der orthodoxen Wirtschaftstheorie zum Nachweis eines Prozesses, der den Übergang von einer traditionell-ländlichen, unterentwickelten Wirtschaftsordnung zu einer modernen Industriegesellschaft beschreibt. Nur betonen die Strukturalisten im Unterschied zu den Neoklassikern die Bedeutung struktureller Verkrustungen und Ungleichgewichte in diesem Übergang zur Wachstumswirtschaft. Sie sprechen sich daher gewöhnlich auch für administrative Maßnahmen aus, und natürlich kam ihr Entwicklungsverständnis gerade während der etatistischen Phase des Prozesses der Ausbreitung der Marktwirtschaft sehr in Mode. Ebenso wenig kann es verwundern, dass die neoklassischen Ansätze der Entwicklungspolitik derzeit, da der Neoliberalismus blüht, wieder an Beliebtheit gewonnen haben und vor allem von der Weltbank und vom IWF aggressiv vertreten werden. Ein Beleg für diese „neue“ Entwicklungsorthodoxie findet sich im Jubiläumsbericht zum 50-jährigen Bestehen der Weltbank: „Ein neues Paradigma hat sich durchgesetzt: Es ist das der ‚Marktfreundlichkeit’“.[47]

 

Die Grundlagen der radikalen Entwicklungstheorien nach dem Zweiten Weltkrieg sind das marxistische und das Abhängigkeits-Paradigma. Unter dem marxistischen Paradigma stehen alle Theorien, die im Kapitalismus eine historische Phase des gesellschaftlichen Entwicklungsprozesses sehen. Für sie hängt die Entwicklung eines Landes im wesentlichen von dessen interner Struktur ab, vor allem von der vorherrschenden Produktionsweise (also von den Produktivkräften und Produktionsbeziehungen). Unterentwicklung ist dann einfach ein Überbleibsel aus der Vergangenheit vorkapitalistischer Produktion.

 

Das Abhängigkeitsparadigma entstand nach dem Krieg, und zwar als Reaktion auf das Versagen des Kapitalismus bei der Entwicklung der Dritten Welt - genauer gesagt, als theoretische Antwort auf die Erfahrung, dass weder die orthodoxe Wirtschaftstheorie noch die klassische marxistische Imperialismustheorie eine Erklärung für dieses Versagen liefern kann. Hierzu zählen alle Ansätze, die in der Unterentwicklung ein Resultat spezifischer Machtbeziehungen innerhalb eines weltweiten Systems sehen. Mit den Marxisten teilen sie die konfliktorientierte Weltanschauung (wo die Orthodoxen nur Harmonie verspüren), die historische Einschätzung der kapitalistischen Entwicklungsstufe (wo die Orthodoxen üblicher Weise ahistorisch vorgehen) und die internationalistische Betonung der integralen Einheit der Weltwirtschaft (wo die Orthodoxen sich meist auf den Nationalstaat als Bezugsrahmen und Analyseobjekt beschränken).

 

Es gibt aber auch sichtbare methodische, theoretische und politische Differenzen zwischen dem marxistischen und dem abhängigkeitsorientierten Ansatz. Auf dem Feld der Methoden liegen sie darin, dass bei den Marxisten die zentrale Kategorie die Produktionsweise ist und der Kapitalismus unter dem Aspekt der Klassenanalyse betrachtet, bei den Abhängigkeitstheoretikern dagegen das „Weltsystem“ die zentrale Stellung einnimmt und der Kapitalismus in einen Rahmen „Produktion für Profit“ gestellt wird sowie in ein austauschorientiertes Weltsystem, in dem einige Regionen andere ausbeuten. Sowohl die Klassenstruktur als auch die Unterentwicklung sind aus dieser Sicht eher Konsequenzen der Abhängigkeitsbeziehungen als (wie bei den Marxisten) deren Hauptdeterminante.

Ein weiterer wichtiger Unterschied zwischen den beiden Ansätzen liegt darin, wie sie die historische Rolle des Kapitalismus bewerten. Für die Marxisten spielt der Kapitalismus im Entwicklungsprozess eine progressive Rolle und ist die Kapitalakkumulation ein Vorgang unablässiger Expansion. Für die Abhängigkeitstheoretiker hingegen ist der Kapitalismus keineswegs immer ein progressives Element und die Kapitalakkumulation nicht so sehr mit Expansion verbunden als vielmehr mit dem Transfer des ökonomischen Mehrwerts von der Peripherie in das Zentrum. Unterentwicklung ist also bei den Marxisten eine frühe historische Stufe vorkapitalistischer Produktionsweise, bei den Abhängigkeitstheoretikern das Ergebnis einer der Peripherie aufgezwungenen, ganz speziellen Arbeitsteilung, nämlich der Integration in das Weltsystem in untergeordneter Position. Politisch gesehen schließlich halten die orthodoxen Marxisten auch unter dem Kapitalismus Entwicklung nicht für a priori ausgeschlossen (können doch durch die Expansion der Kapitalbeziehungen die Voraussetzungen für eine sozialistische Revolution geschaffen werden), während sich die Abhängigkeitstheoretiker eine echte Entwicklung nur nach einem Bruch mit dem System des Weltkapitalismus vorstellen können.

Bei allen Unterschieden ist jedoch Marxisten wie Abhängigkeitstheoretikern ein Grundzug gemeinsam: Sie zweifeln nämlich ebenso wenig wie die orthodoxen Gesellschaftswissenschaftler die Wünschbarkeit der Wachstumswirtschaft selbst, also der grenzenlosen Entwicklung der Produktiv­kräfte, an. Gerade die berühmten Debatten (vor allem in den 70er Jahren) zwischen Marxisten, Neo-Marxisten und Abhängigkeitstheoretikern kreisten nur um eine Frage: Warum hat die Wachstumswirtschaft dem Süden nicht die gleichen Erfolge beschert wie zuvor dem Norden - d.h. warum ist das Wachstum dort nicht so hoch, wie es sein sollte? Niemand hat jemals die kapitalistische - oder sozialistische - Wachstumswirtschaft dafür angeprangert, dass sie zu einer riesigen Konzentration wirtschaftlicher Macht führt und alle selbstgenügsamen Wirtschaftssysteme vernichtet. Niemand macht darauf aufmerksam, dass die Wachstumswirtschaft durch die Zerstörung der Ökogemeinschaften der Hauptverursacher irreparabler Umweltschädigungen ist. Kurz gesagt, man klagt die Marktwirtschaft nicht dafür an, dass sie in eine allgemeine Wachstumswirtschaft hinein führt, sondern dass sie dies nicht effizient genug tue!

Die radikalen Theorien zielen demnach hauptsächlich darauf ab zu zeigen, wie der Mehrwert vom Süden[48] zum Norden transferiert wird und warum dadurch im Süden die Entstehung einer erfolgreichen Wachstumswirtschaft behindert wird. In der Theorie stellt sich dieser Transferprozess entweder als eine Kette von Beziehungen zwischen Metropole und Satelliten und zwischen den lokalen, nationalen und internationalen Kapitalsystemen dar[49] oder hat seinen Platz in einem Weltsystem, dessen Komponenten (die Nationalstaaten) keine geschlossenen Systeme sind, sondern integrale Bestandteile einer einzigen, für die Gesamtheit geltenden Arbeitsteilung.[50] Der Mechanismus des eigentlichen Mehrwert-Transfers liegt entweder in den ungleichen Austauschbedingungen auf Grund der großen Lohndifferenzen zwischen Nord und Süd[51] oder aber in der ungleichen Spezialisierung und den entsprechenden Produktivitätsunterschieden.[52]

 

Was endlich den neo-marxistischen „Produktionsweisen-Ansatz“[53] betrifft, der als Antwort auf die „ketzerischen“ Abhängigkeitstheorien ausgearbeitet wurde, so findet für diesen der Übergang zur Wachstumswirtschaft dadurch statt, dass sich innerhalb einer gesellschaftlichen Formation die einzelnen (kapitalistischen und vorkapitalistischen) Produktionsweisen artikulieren. Auch hier wird die Wünschbarkeit der Wachstumswirtschaft nicht etwa angezweifelt, sondern es wird sogar ihre universelle Gültigkeit vorausgesetzt.

 

Der Regulationsansatz in der Entwicklungstheorie

 

Ähnliche Überlegungen gelten auch für den Regulationsansatz,[54] der neuerdings u.a. bei den Neo-, Post- und Ex-Marxisten in Mode gekommen ist. Ein typischer Vertreter ist Alain Lipietz.[55] Man wird kaum bestreiten, dass Ansätze wie seiner in der marxistischen Methodik einen Schritt nach vorn darstellen - vor allem wo sie sich gegen den groben Funktionalismus wenden, der einige Imperialismus- und Abhängigkeitstheorien kennzeichnet. Kaum jemand wird auch Kernaussagen jener Theorien vertreten wie die, es sei die Funktion der Peripherie, vermittels der diversen Transfermechanismen das Wachstum des Zentrums zu fördern.

Auch der Regulationsansatz will, wie die Neo-Marxisten und Abhängigkeitstheoretiker, erklären, warum das Akkumulationssystem der entwickelten Länder im Süden nicht heimisch wurde, oder anders gesagt, ob auch an der Peripherie eine relativ unabhängige Entwicklung möglich ist, so dass die Wachstumswirtschaft des Nordens - im Einklang mit der klassischen marxistischen Theorie - auf den Süden übertragen werden kann. Auch hier wird also die „unabhängige kapitalistische Entwicklung“ als wünschenswert vorausgesetzt und nur danach gefragt, ob sie nicht auch im Süden möglich ist.

Die Antwort auf diese Frage hängt nach Meinung der Regulationstheoretiker von den Klassenallianzen ab: „Die Entwicklung des Kapitalismus hängt in jedem einzelnen Land vom Ausgang der internen Klassenkämpfe ab. Es ergeben sich daraus embryonale Akkumulations- und Regulationssysteme, die von der jeweiligen Staatsmacht aktiv unterstützt werden“.[56] Die ökonomische Machtkonzentration im Norden ist danach nur das Ergebnis von Klassenallianzen und -kämpfen und der Rolle, die der Staat dabei spielt. Implizit gilt das auch für die Verhältnisse innerhalb des Nordens und des Südens sowie für die jeweiligen ökologischen Schäden. Und die „Internationale Arbeitsteilung“, also die von Land zu Land unterschiedliche Zuteilung von Arbeitskräften und -produkten, ergibt sich „einfach nur aus den Versuchen der einzelnen Nationen, Einfluss aufeinander zu gewinnen oder sich diesem zu entziehen, aus dem unablässigen Bestreben der verschiedenen Klassenallianzen, die nationale Autonomie zu bewahren oder aufzugeben“.[57]

 

Das bedeutet auch, dass an die Stelle des direkten Zusammenhangs zwischen der Wachse-oder-stirb-Dynamik der Marktwirtschaft und der sich daraus ergebenden Machtkonzentration und Umweltzerstörung das „Primat der internen Ursachen“ tritt - ganz ähnlich der liberalen Auffassung, nicht die Marktwirtschaft sei für Hunger und Elend im Süden verantwortlich zu machen, sondern die korrupten Eliten dortselbst! Man schaut einfach darüber hinweg, dass die Marktwirtschaft und die daraus entstehende Wachstumswirtschaft eine Eigendynamik besitzen, und dass Machtkonzentration und Ökokatastrophe zwangsläufig aus den parallelen Prozessen der Vermarktwirtschaftlichung und der Ausbreitung der Wachstumswirtschaft folgen. Die Regulationstheoretiker glauben also, der Staat (im Zentrum oder an der Peripherie) könne den Markt unter Kontrolle halten und sogar unter bestimmten Bedingungen eine „unabhängige kapitalistische Entwicklung“ in Gang setzen; der Staat sei „die archetypische Regulationsform, da der Klassenkampf ja auf staatlicher Ebene entschieden wird“.[58] Und dies genau in dem Augenblick, da die Internationalisierung der Marktwirtschaft und das entsprechende Schrumpfen der wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten des Staates in vollem Gange sind!

Wenn also die konventionellen Entwicklungstheorien - gleich ob orthodox oder marxistisch gefärbt - Probleme haben, dann liegen diese in der Logik der Wachstumswirtschaft begründet. Sie behandeln die Entwicklungsproblematik von der Grundfrage aus, warum nicht auch der Süden eine Wachstumswirtschaft wie der Norden hervorbringen konnte. Man kann aber die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Nord und Süd, wie überhaupt jede Art von Wirtschaftsbeziehungen, nicht nach dem Muster „objektiver ökonomischer Gesetze“ oder „allgemeiner Theorien“ - marxistisch oder nicht - analysieren, sondern nur unter dem Aspekt von Machtstrukturen. Natürlich kommt auch den Staaten und den herrschenden Eliten (also den „subjektiven“ Elementen) eine wichtige Rolle bei derartigen Untersuchungen zu. Doch ebenso wichtig ist der institutionelle Rahmen, also die Markt- und Wachstumswirtschaft (das „objektive“ Element), bestimmt es doch die „Freiheitsgrade“, über die der Staat und die Eliten verfügen. Die Regulationisten wollen offensichtlich das ganze „objektivistische Gepäck“ über Bord werfen (auch wenn sie trotz dieses Anspruches eher den Eindruck hinterlassen, doch nur eine noch ausgeklügeltere „allgemeine Theorie“ aufstellen zu wollen). Dabei sind sie aber in das entgegengesetzte Extrem verfallen: Sie übersehen weit gehend die Schranken, die die Institutionen dem Staat bereits setzen. 

Die ökologische Dimension des Entwicklungsproblems


Als in den 80er Jahren die ökologische Krise offenkundig wurde, erhielt die Diskussion über das Entwicklungsproblem - die sich bis dahin nur darum gedreht hatte, wie sich die Wachstumswirtschaft des Nordens am besten auf den Süden übertragen lassen könne - eine neue Dimension. Die ökologischen Auswirkungen wirtschaftlicher Entwicklung und somit auch die Frage, ob eine Wachstumswirtschaft überhaupt angestrebt werden sollte, trat in den Vordergrund. Ich möchte mich daher jetzt noch der Frage zuwenden, wie die orthodoxen Wirtschaftslehren die mit der Entwicklung des Südens verbundenen ökologischen Probleme behandelt haben, bevor ich dann in Kapitel 4 untersuche, wie die mit Wachstum und Entwicklung verknüpften weltweiten ökologischen Fragen überhaupt angegangen werden.

Für die orthodoxen Wirtschaftswissenschaftler stellt sich in diesem Zusammenhang nur die Frage, ob die ökologischen Schäden auf die „Entwicklung“ zurückzuführen sind oder aber auf eine noch bestehende Unterentwicklung. Nach Meinung der Weltbank sind bestimmte Umweltprobleme der unzureichenden Entwicklung geschuldet. Armut wird konkret verantwortlich gemacht für sanitäre Mängel, unsauberes Wasser, Luftverschmutzung in Innenräumen infolge der Verbrennung von Biomasse sowie Bodenschäden der verschiedensten Art. Andererseits heißt es in der selben Quelle: „Viele andere Probleme werden durch die gesteigerten wirtschaftlichen Aktivitäten noch verschärft: lokale und globale Verschmutzungen aus der Industrie und Energiewirtschaft, Waldverluste durch kommerzielle Holzgewinnung, exzessiver Wasserverbrauch“.[59]

Wenn man bedenkt, dass sich die Weltbank und die für ihre Berichte zuständigen Funktionäre gerade aus den Gewinnen finanzieren, welche die Wirtschaftsoligarchien aus der Marktwirtschaft ziehen, dann kann es natürlich nicht überraschen, dass ihre Lösungsvorschläge genau in das Konzept der Erhaltung der marktwirtschaftlichen Institutionen passen. Gegen die Umweltprobleme wird also „mehr Entwicklung“ empfohlen, freilich „unter Berücksichtigung des Wertes der Umwelt“, um so einen besseren Trade-off zwischen den beiden Bereichen zu erreichen. Man will also der Umwelt einen „Wert“ zuschreiben, so wie eben in der Marktwirtschaft alles mit einem Wert belegt wird.

Ganz abgesehen davon, dass sich den meisten Komponenten der Umwelt überhaupt kein objektiver Wert zuweisen lässt, da von ihr ja gerade das Subjectivum par excellence, die Lebensqualität, abhängt: Dieser Vorschlag läuft darauf hinaus, die Marktwirtschaft auf die Umwelt selbst auszudehnen! Indem man der Umwelt einen - gegebenenfalls fiktiven - Marktwert beimisst, will man die Auswirkungen des Wachstums „internalisieren“ - entweder durch profitable „grüne“ Geschäfte oder durch „korrigierende“ Eingriffe des Staates in den Marktmechanismus. Nicht nur sieht man großzügig darüber hinweg, dass die Marktwirtschaft - die, sobald sie den Boden, also ein wichtiges Element der Umwelt, in ihren Mechanismus einbezog, dadurch den eigentlichen Zerstörungsprozess auslöste - selbst Teil des Problems ist. Man empfiehlt auch noch die Ausdehnung des Prozesses der Vermarktwirtschaftlichung auf die übrigen Umweltbereiche (Wasser, Luft)! Das Ergebnis für die Umwelt lässt sich leicht vorhersagen: Sie gerät entweder unter die Kontrolle der Wirtschaftseliten (soweit sie nämlich einen echten Marktwert besitzt) oder unter die des Staates (soweit die Werte fiktiv zugeordnet werden). Ob das den Trend zu weiterer Umweltzerstörung stoppt, muss in jedem Fall bezweifelt werden. Außerdem wird der Zustand verewigt, dass die Kontrolle über die Natur gerade von den Eliten ausgeübt wird, die sie ohnehin - jetzt unter „grünem“ Vorzeichen - beherrschen wollen.

 

Darüber hinaus deutet alles darauf hin, dass es gerade die entwicklungsbedingte Armut ist, die den ökologischen Zerstörungsprozess vorantreibt, nicht aber die Armut aus Unterentwicklung. Wir brauchen uns ja nur daran zu erinnern, dass die Umweltgefahren vom konsumfixierten Lebensstil der Reichen, nicht aber von der Lebensweise der Armen ausgehen. So produzieren die reichen Länder mit ihren 16% der Weltbevölkerung 49% der globalen CO2-Emissionen.[60] Die Weltbank allerdings hat am Lebensstil der Reichen nichts auszusetzen:

Für die nicht erneuerbaren Ressourcen bedeutet eine Steigerung des Verbrauchs zwangsläufig eine Abnahme der Vorräte. Es finden sich jedoch keine Belege dafür, dass derartige Ressourcen, soweit für sie ein Markt existiert (wie Metalle, Erze, Energie) im ökonomischen Sinne knapp werden. Eine reale oder auch nur befürchtete Knappheit schlägt sich nämlich in steigenden Marktpreisen nieder, und diese wiederum führen zur Entdeckung neuer Lagerstätten, Effizienzverbesserungen, Ersatzmöglichkeiten und technischen Innovationen.[61]

Implizit schließt sich die Weltbank hier unserer Hypothese an, dass die Konzentration nicht nur eine Folge der Wachstumswirtschaft ist, sondern auch unabdingbare Voraussetzung für deren Weiterbestehen. In der Übergangsperiode funktionieren die „steigenden Marktpreise“ einfach als grobe Rationierungsinstrumente zum Nutzen der Privilegierten. Und sollten sich daraus wirklich technische Innovationen ergeben, so ist zumindest zweifelhaft, ob die Unterprivilegierten viel davon haben werden. Was die Weltbank hier propagiert, ist einfach nur die „Zuteilung über die Brieftasche“ für alle diejenigen Ressourcen, die sich infolge des Wachstums verknappen. Nichts deutet auch darauf hin, dass etwa die neuen, von den steigenden Preisen induzierten Technologien so etwas wie „nachhaltiges Wachstum“ mit sich bringen könnten. Eher das Gegenteil: So stellt die FAO fest: „Die Produktion mit niedrigem Einsatz ist vermutlich die umweltfreundlichste Methode und seit unvordenklichen Zeiten in Gebrauch gewesen. Doch jedes Land hat im Zuge seines Entwicklungsprozesses diese Verfahren aufgegeben, da sie sich wegen ihrer niedrigen Produktivität als ungeeignet erwiesen haben, die Ernährung der wachsenden Bevölkerung zu sichern“.[62] Als aber diese Verfahren aufgegeben waren, gerieten die Bauern zwangsläufig in die Abhängigkeit von den Chemiefirmen. Und da diese transnational organisiert sind und die Bauern die Chemikalien ja kaufen müssen, werden sie auch noch zur Erzeugung von Exportprodukten gezwungen.

 

Entwicklung und Demokratie


 

Die kommende neue „Nord-Süd-Kluft“

 

Im Rahmen der heutigen neoliberalen internationalisierten Marktwirtschaft ergibt die alte Unterscheidung zwischen Norden und Süden wahrscheinlich kaum noch einen Sinn. Wollten wir beispielsweise eine Nord-Süd-Klassifikation länderweise nach dem alten, aber fast bedeutungslos gewordenen Maßstab des Pro-Kopf-BNP vornehmen, dann würden wir die immer weiter aufreißende Kluft zwischen den privilegierten und den unterprivilegierten gesellschaftlichen Gruppen ignorieren, die auch dem Norden schon umfangreiche „südliche“ Enklaven beschert hat. So ist in Großbritannien zwischen 1979 und 1993 der Anteil der Armen bei Familien mit kleinen Kindern von 8% auf 24% gestiegen, bei den Alleinerziehenden sogar von 19% auf 58%.[63] Und wenn wir andere Indikatoren heranziehen, die etwas darüber aussagen, wie gut die einzelnen Bevölkerungssegmente mit dem Lebensnotwendigen versorgt sind, und von der „Nord-Süd“-Unterscheidung absehen, dann kann man sich schon fragen, zu welcher Gruppe die USA eigentlich gehören, wenn dort jedes fünfte Kind in Armut lebt und 8 Mio. Kinder keine Krankenversorgung genießen. Und nach einem UNICEF-Bericht[64] fallen Belgien und die USA - nach ihrem Pro-Kopf-Einkommen Länder des „Nordens“ - in Bezug auf Kindersterblichkeit, Ernährung und Bildung weit hinter „Süd“-Länder wie Jordanien, Syrien, Polen, Rumänien, Bulgarien und Kenia zurück. Wenn es um das Wohlbefinden der Menschen überhaupt - vor allem der Kinder - geht, dann finden wir im selben Bericht an der Spitze Länder wie Vietnam, Sri Lanka, Nepal, Myanmar und Kuba, deren Kindersterblichkeit und Schulbesuch weit bessere Werte aufweisen als nach dem Pro-Kopf-Einkommen zu erwarten wäre.

Nach Erkenntnissen wie diesen zweifelt man nicht nur daran, ob die alte Unterscheidung zwischen „Norden“ und „Süden“ noch sinnvoll ist. Sie werfen auch die Frage nach dem richtigen Indikator für diese Klassifikation auf - insbesondere, ob Länder mit sehr unterschiedlichen kulturellen und ökonomischen Bedürfnissen überhaupt mit einem gemeinsamen Indikator gemessen werden können oder sollten. Mit einem solchen - wenn auch komplexen - Indikator unterstellt man ja nicht nur für Alle die gleichen Bedürfnisse, sondern ordnet auch die Gesellschaften in einer entsprechenden, geradezu hierarchischen Reihe an, bei der man alle schlecht platzierten Länder durch Einsatz der selben Mittel und mit Hilfe der gleichen „Experten“ in die Lage versetzt, die besser gestellten einzuholen. Ein solcher universeller Indikator impliziert auch, dass alle Länder den „Entwicklungsstand“ anstreben müssen, den die bestklassifizierten schon erreicht haben, während alle alternativen Mittel zur Bedürfnisbefriedigung zu vermeiden sind - mit anderen Worten, er suggeriert ein gemeinsames Wertesystem. Wenn also die moderne Agrarindustrie mittels Monokultur die Produktion einer einzelnen Frucht maximiert und dadurch ihre Produktivität und Konkurrenzfähigkeit steigert, dann ist das im Hinblick auf das Pro-Kopf-BNP offenkundig die zu bevorzugende Methode, Landwirtschaft zu betreiben, auch wenn die biologische Vielfalt darunter leidet.

Doch bei allen Bedenken bezüglich der Maßstäbe kann es nützlich sein, die Unterscheidung „Nord/Süd“ beizubehalten; wir müssen diese Begriffe nur neu definieren. Als den „Neuen Norden“ könnten wir alle gesellschaftlichen Gruppen ansehen, die vom Prozess der Vermarktwirtschaftlichung profitieren - unabhängig davon, ob sie im alten Norden oder im Süden leben.[65] So zählen die Angehörigen der „40-Prozent-Gesellschaft“ des „alten“ Nordens ebenso dazu wie gewisse kleine Minderheiten in der „alten“ Zweiten und Dritten Welt. Denn in der Ersten Welt sind es nicht nur die Herren über die Produktionsmittel (die überwiegend die Herrschaftseliten stellen), die von der Vermarktwirtschaftlichung profitieren, sondern auch die breite Mittelklasse, der es dabei gut gegangen ist (die Angehörigen der Freien Berufe, die Facharbeiterschaft etc.). Und in der Dritten Welt zählt dazu auch nicht nur die Elite der Grundbesitzer, Großimporteure etc., sondern ebenfalls eine schwach entwickelte Mittelschicht aus Freiberuflern, hohen Beamten etc. In der ehemaligen Zweiten Welt schließlich sind Nutznießer die neue, aus dem Prozess der Vermarktwirtschaftlichung hervorgegangene Herrschaftselite (üblicherweise die Ex-Funktionäre der früheren Partei-Nomenklatura) sowie eine sehr schmale Mittelschicht von Freiberuflern.

 

Entwicklung oder Demokratie? 

Die Zahl der Menschen wird immer kleiner, die heut zu Tage noch Zugang zur Politik (über ihre Rolle als Wähler hinaus), zur Wirtschaft (über ihre Rolle als Konsumenten hinaus) oder zur Umwelt haben (über die beiden vorgenannten Rollen hinaus, die vom parlamentarischen System bzw. von der Marktwirtschaft geprägt sind). In der Politik werden alle wesentlichen Entscheidungen von der Elite der Berufspolitiker getroffen. Im Wirtschaftsleben sind es auch nicht die Bürger, die demokratisch darüber bestimmen, was im Lande produziert wird, sondern dies hängt von den Eigentumsverhältnissen und der Einkommensverteilung ab. Und der „Schutz“ schließlich, den man der Umwelt noch zugesteht, ist Sache der politischen und ökonomischen Eliten, die die Markt- und Wachstumswirtschaft kontrollieren. Darüber hinaus läuft der Prozess der Machtkonzentration in allen Bereichen auf vollen Touren.

Dieser Zustand ruft üblicherweise zwei Reaktionen hervor. Die Zahl derer, die - angesichts der Zerstörung ihrer Umwelt, der Minimierung ihrer noch verbliebenen Macht und der drohenden Auslöschung ihrer Gemeinschaften - die mit der Wachstumswirtschaft verbundene Entwicklung anhalten wollen, geht inzwischen in die Millionen. So schreibt der Gesellschaftsreformer Gustavo Esteva: „Wer in Rio oder Mexico City lebt, muss sehr reich oder sehr dumm sein, um nicht zu erkennen, dass Entwicklung Scheiße ist“.[66] Zum anderen entstehen aber auch im Norden wie im Süden reihenweise neue Initiativen und Aktions­gruppen, die - jede auf ihre Art - „Versuche der Menschen vor Ort [darstellen], die politischen Abläufe zurückzuerobern und neu in der Gemeinschaft zu verwurzeln. Die zentrale Forderung all dieser Gruppen lautet: Autorität für die Gemeinschaft - nicht für den Staat, die örtliche Verwaltung, den Markt oder den Grundherrn, sondern für jene Menschen, die in den Grenzen ihrer Gemeinde und mit deren Mitteln ihren Lebensunterhalt verdienen müssen“.[67]

 

Diesen Bewegungen liegt offensichtlich die - zuweilen noch unbewusste - Erkenntnis zu Grunde, dass gerade der institutionelle Rahmen selbst, also die Marktwirtschaft und der liberale Nationalstaat, die Menschen dem politischen und wirtschaftlichen Prozess entfremden. Die Marktwirtschaft (wir sahen es schon in Kapitel 1) verdankt ihr Entstehen in Europa nicht irgendeinem „automatischen“ Mechanismus, sondern der Geburtshelferrolle des Nationalstaats. Auch dass die Marktwirtschaft den Süden eroberte (d.h. dass dieser wirtschaftlich in den Weltmarkt integriert wurde), war „das Ergebnis bewussten, häufig auch gewaltsamen Regierungshandelns“.[68] Dass sich in der kapitalistischen Wachstumswirtschaft eine stabile globale Machtstruktur herausbildete, ist eigentlich eine Folge der Ausbreitung dieses Wirtschaftssystems auf den Süden. In anderen Worten ist die Art von „Entwicklung“, die sich im Süden abspielt, im tiefsten darin begründet, dass die übergroße Mehrheit der Bevölkerung - in Ermangelung echter politischer und wirtschaftlicher Demokratie - keine Kontrolle über ihre heimischen Ressourcen besitzt.

 

Die koloniale Ausbeutung mag in vielen Ländern eine wichtige Rolle bei der gewaltsamen Zerstörung der wirtschaftlichen Autarkie gespielt haben; dennoch haben weder sie noch die Korruption der Eliten des Südens noch die Konspiration derer des Nordens die Wachstumswirtschaft im Süden scheitern lassen. Ich widerspreche ausdrücklich der klassischen marxistischen Auffassung vom Kolonialismus als - für die Entwicklung des Kapitalismus in der Peripherie - „notwendigem Übel“[69] und behaupte vielmehr: Letzte Ursache dieses Scheiterns ist der Widerspruch, der im Prozess der Ausbreitung der Wachstumswirtschaft selbst angelegt ist.

 

Die Wachstumswirtschaft kann nur überleben, solange sie ihre Aktivitäten ständig auf neue Felder ausweitet. Ein Weg dazu (in den reifen Wachstumswirtschaften) besteht darin, durch technologischen Wandel neue Arbeitsgebiete zu schaffen. Ein zweiter Weg liegt in der geografischen Ausweitung, was gleich bedeutend ist mit der Auslöschung der wirtschaftlichem Unabhängigkeit auch noch der allerletzten Gemeinschaft auf der Erde. Sobald aber dies irgendwo erfolgt ist (sei es durch kolonialistische Gewalt oder über die Marktkräfte) und dadurch zwei Seiten mit ungleicher wirtschaftlicher Macht (in Produktivität, Technologie und Einkommen) in direkten Kontakt zueinander kommen, sorgt der automatische Marktmechanismus dafür, dass diese Ungleichheit noch weiter anwächst. Ursache für die Misere des Südens ist also die extrem ungleich verteilte Zugriffsmöglichkeit auf Einkommen und Produktionsressourcen - beides zwangsläufige Auswirkungen der Markt- und Wachstumswirtschaft. Wie sich leicht zeigen lässt, folgt in einem marktwirtschaftlichen System, das von der Ideologie des Wachstums und von individueller Habgier beherrscht wird, jede „Fehlentwicklung“ aus der Automatik des Systems selbst, weil nämlich die Entscheidung darüber, was, wie und für wen produziert werden soll, allein von der Kaufkraft der oberen Einkommensschichten im Norden und der Eliten des Südens abhängt.[70] Was also für die „heimische“ Markt- und Wachstumswirtschaft gilt - ohne gesellschaftliche Kontrolle der Marktkräfte lebt sie von der ungleich verteilten wirtschaftlichen Macht und der ungleichen Entwicklung der verschiedenen Sektoren - das gilt vielleicht in noch stärkerem Maße für die internationalisierte Markt- und Wachstumswirtschaft.

 

Unter diesem Blickwinkel erscheint es schon überraschend, wenn sogar bekannte, in der Tradition der Autonomie stehende Theoretiker die Ansicht vertreten, die wesentliche Ursache für die Nicht-“Entwicklung“ im Süden läge darin, dass

der Westen im Zuge seiner spektakulären Ausbreitung auf Gesellschaften mit völlig andersartigen imaginären Institutionen gestoßen ist, in denen sich folglich auch ein ganz anderer anthropologischer Typus herausgebildet hat als derjenige des Westens vom Staatsbürger, wie er in der Erklärung der Menschenrechte beschrieben wird, vom Industriearbeiter oder vom Unternehmer.[71]

Offensichtlich ignoriert ein solcher Ansatz die katastrophalen Auswirkungen, erst der Marktwirtschaft und dann der Wachstumswirtschaft, auf die selbstgenügsamen Gemeinschaften des Südens. De facto spricht er sogar die Marktwirtschaft von aller Schuld frei und lastet die Entwicklung den im Süden vorhandenen „imaginären Bedeutungen“ an! Da kann dann natürlich die Rettung aus der globalen Krise auch nur aus dem Westen kommen: „M.E. könnte nur eine neue Entwicklung der Befreiungsbewegungen im Westen die Parameter des Problems verändern, könnte also wenigstens so weit wie nötig die Durchdringung der traditionellen Institutionen und der traditionellen religiösen imaginären Bedeutungen abmildern, die heute in den meisten Ländern der Dritten Welt vorherrschen“.[72]

 

Es wird deutlich, dass dieser Ansatz die Ursachen für die gegenwärtige Misere des Südens mit den Gründen verwechselt, die verhindert haben, dass sich die Wachstumswirtschaft auch im Süden etablieren konnte. Zwar sind in der Tat die „traditionellen Institutionen und die traditionellen religiösen imaginären Bedeutungen“ signifikante Erklärungsfaktoren für die gescheiterte Ausbreitung der Wachstumswirtschaft im Süden, doch rührt die gegenwärtige Lage des Südens allein davon her, dass die Markt- und Wachstumswirtschaft des Nordens die traditionellen Wirtschafts- und Gesellschaftssysteme weitgehend durchsetzt hat. Wäre dies nicht geschehen, dann hätte sich aus diesen Gesellschaften eine gänzlich andere Welt entwickeln können an Stelle der Welt der gescheiterten Wachstumswirtschaft, wie wir sie kennen, mit ihrer charakteristischen Mischung aus Ungleichheit, Ungerechtigkeit, Individualismus und Habgier.

 

Schließlich noch ein Hinweis in Sachen Demokratie: Ich möchte hier nicht in einen Topf geworfen werden mit dem derzeit bei uns modischen Trend (siehe Gunder Frank[73]) weg von der früheren Begeisterung für „Entwicklung“ hin zur Unterstützung der „Demokratie“, selbst unter Einsatz militärischer Mittel wie vor einigen Jahren durch die USA in Haiti. Der Norden benutzt doch Begriffe wie „Demokratie“ und „Entwicklung“ nur noch als Ideologien, nämlich als angeblich objektive Rechtfertigungen des Status quo. Waren es früher die Ideologien der Marktwirtschaft und des exportgetriebenen Wachstums, mit denen man die „Entwicklung“ der Dritten Welt zu untermauern suchte, so ist diese Rolle in unseren Tagen der liberalen Demokratie zugedacht. Da wird dann die Wirtschaftsoligarchie der 500 weltbeherrschenden transnationalen Konzerne (70% des Welthandels, 80% der Auslandsinvestitionen und 30% des Welt-BIP[74]) ebenso als „Marktdemokratie“ verkauft, als eine Art Wirtschaftsdemokratie, wie die Kontrolle der politischen Vorgänge als politische Demokratie dargestellt wird. Es ist geradezu „zur Mode geworden“, den freien Markt und die liberale Demokratie „so miteinander zu identifizieren, als ob sie untrennbar oder gar ununterscheidbar seien“,[75] ungeachtet der Tatsache, dass die Multis, obgleich von einer nationalen Basis aus arbeitend, keiner bestimmten Gemeinschaft verpflichtet sind, sondern immer nur ihrem eigenen weltweiten Netzwerk. In ihren Bilanzen sind beide - Demokratie wie Entwicklung - leicht entbehrliche Posten.

 

Wir müssen also einen neuen Ansatz entwickeln, der politisch, ökonomisch und sozial auf die Selbstbestimmung der Menschen und ihrer Gemeinschaften abzielt. Er müsste für diese Gesellschaftsbereiche auch neuartige Strukturen vorsehen, damit sichergestellt wird, dass die Bürger die Kontrolle über ihre eigenen Ressourcen ausüben können. Die Bedürfnisse der Menschen müssen nicht vom System des Wachstums konditioniert und unablässig ausgeweitet werden, sondern die Gemeinschaft selbst kann sie anpassen und begrenzen. Im übrigen unterscheiden sich die Grundbedürfnisse der unterprivilegierten Schichten im Norden so gut wie gar nicht von denen der Mehrheit im Süden. Das Problem stellt sich also wie folgt: Wie können die Menschen des „Neuen Südens“, d.h. die Massen des Südens und die Unterprivilegierten des Nordens, die zusammen die überwiegende Mehrheit der Weltbevölkerung stellen, den „Neuen Norden“ (also jene kleine aber - da im Monopolbesitz aller wesentlichen Machtmittel - mächtige Minderheit) zur Anerkennung der simplen Tatsache zwingen, dass als Ursache der heutigen wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Krise genau jene oligarchischen Strukturen in Wirtschaft und Politik angesehen werden müssen, denen diese ihre Privilegien dauerhaft verdankt.

 

Ich fasse zusammen: Das so genannte „Entwicklungsproblem“ besteht nicht - wie die konventionellen Ansätze der Entwicklungspolitik behaupten - in der Etablierung einer gut funktionierenden Markt- und Wachstumswirtschaft. Es besteht nicht einmal - wie die Tiefenökologen und andere „Nordlichter“ meinen - in der Aufgabe, die Wachstumswirtschaft in eine Gleichgewichtswirtschaft zu transformieren. Problem ist einzig und allein, wie in einer neuen umfassenden Demokratie die Grundbedürfnisse der Menschen und die Mittel, sie zu befriedigen, kollektiv so bestimmt werden können, dass die Natur möglichst wenig Schaden nimmt.


 

[1] Berechnet nach World Bank World Development Report 1998/99 (Oxford: Oxford University Press, 1999), Tabellen 1, 20.

[2] Berechnet nach World Bank World Development Report 1980 und 1998/99 Tabelle 1.

[3] World Bank, Poverty: World Development Report 1990 (Washington, DC: World Bank), S. 28.

[4] Eurostat, Poverty in Figures (Luxembourg: Office for Official Publications of the European Communities, 1990), Tabelle B7.

[5] Worldwatch, Poverty and The Environment (Washington, DC: Worldwatch Institute, 1989), S. 24.

[6] Ted Trainer, „A rejection of the Brundtland Report“, IFDA Dossier 77 (Mai-Juni 1990), S. 77-8.

[7] Ted Trainer, Developed to Death (London: Green Print, 1989), S. 9.

[8] World Development Report 1997 (World Bank), Tabelle 5.

[9] Ted Trainer, Developed to Death, S. 39.

[10] Households Below Average Income (London: HMSO, 1994).

[11] The Economist (1. Oktober 1994) (zitiert in Paul Hirst und Grahame Thompson, Globalization in Question (London: Polity Press 1996), S. 99).

[12] Das jährliche Durchschnittswachstum betrug 1970-93 in Südkorea, Hong Kong, Singapur, Malaysia und Thailand ca. 8% gegenüber 3% in den einkommensstarken OECD-Ländern (berechnet nach World Bank World Development Report 1995).

[13] Siehe z.B. A. Young, „Lessons from the East Asian NICs: a contrarian view“, European Economic Review, Vol. 38, Nr. 3/4 (April 1994), S. 964-73; und Paul Krugman, „The myth of Asia’s miracle“, Foreign Affairs (November-Dezember 1994), S. 65-73.

[14] „D. Rodrick betont die wichtige Rolle der Regierungen dieser Länder bei dem Versuch, einen Anstieg der Investitionen zu bewirken. Hierzu zählten verschiedene strategische Interventionsmaßnahmen wie Investitionszulagen oder aktive Mitwirkung der Verwaltung und der öffentlichen Unternehmen“ (zitiert in Paul Hirst und Grahame Thompson, Globalization in Question, S. 114). Siehe auch Robert Pollin und Diana Alarcon, „Debt crisis, accumulation and economic restructuring in Latin America“, International Review of Applied Economics, Vol. 2, Nr. 2 (Juni 1988); und Takis Fotopoulos, „Economic restructuring and the debt problem: the Greek case“, International Review of Applied Economics, Vol. 6, Nr. 1 (1992).

[15] „Südkorea ist seit den 40er Jahren eine protektionistische Insel im Ozean der Freihandels-Hegemonie gewesen (...) Es hat seit den frühen 70ern auffallend starke neo-merkantilistische Tendenzen gezeigt“; Bruce Cumings: „The abortive abertura: South Korea in the light of Latin American experience“, New Left Review, Nr. 173 (Januar-Februar 1989), S. 13.

[16] Siehe A.H. Amsden, Asia’s Next Giant: South Korea and Late Industrialization (Oxford: Oxford Universitv Press, 1989), Kap. 6.

[17] World Bank, World Development Report 1995, Tabelle 9.

[18] Martin Jacques, „The end of the Western world“, BBC2, 12. und 19. Mai 1996.

[19] World Bank, World Development Report 1981 und 1998/99

[20] In Japan hat sich die Arbeitslosigkeit in den 90er Jahren mehr als verdoppelt, nämlich von 2,1% 1991 auf 4,6% 1999; OECD, Economic Outlook (Paris: OECD, div. Jahre).

[21] Ian M.D. Little, Economic Development: Theory, Policy and International Relations (New York: Basic Books, 1982), S. 6.

[22] Anthony Brewer, Marxist Theories of Imperialism: A Critical Survey (London: Routledge & Kegan Paul, 1980), S. 18.

[23] T. Dos Santos, „The crisis of development theory and the problem of dependence in Latin America“ in Underdevelopment and Development, Henry Bernstein (Hrsg.) (Harmondsworth: Penguin, 1973), S. 76.

[24] Alain Lipietz, Miracles and Mirages (London: Verso, 1987), S. 29-30.

[25] Siehe z.B. Phyllis Deane, The Evolution of Economic Ideas (Cambridge: Cambridge University Press, 1978), Kap. 3.

[26] Ted Trainer, Developed to Death, S. 17. Weitere Belege zu den Einfriedungsvorgängen im Süden während der kolonialen und post-kolonialen Zeit in The Ecologist, Vol. 22, Nr. 4 (Juli-August 1992).

[27] Paul Ehrlich, Die Bevölkerungsbombe (Frankfurt a.M.: Fischer, 1973).

[28] Bill Devall, Simple in Means, Rich in Ends: Practising Deep Ecology (London: Green Print, 1990), S. 16. Auch Arne Naess, der Vater der Tiefenökologie, betont: „Damit nicht-mensch­liches Leben blühen kann, muss [die Anzahl der Menschen] zurückgehen“; Arne Naess, „Deep ecology and ultimate premises“, abgedruckt aus The Ecologist in Society and Nature, Vol. 1, Nr. 2 (1992) S. 114.

[29] Eine umfassende Kritik des neo-malthusianischen Trends bei den Grünen findet sich in Murray Bookchin, „The population myth“ in Which Way for the Ecology Movement? (Edinburgh: AK Press, 1994).

[30] World Bank, World Development Report 1995, Tabelle 25; und Whitaker’s Almanack 1991.

[31] World Bank, World Development Report 1997, Tabelle 6.

[32] The Guardian (11. Januar 1996). Große Empörung löste auch eine britische TV-Dokumentation aus, in der die brutalen Methoden belegt wurden, mit denen man sich in chinesischen Waisenhäusern Tausender unerwünschter - meist weiblicher - Babies zu entledigen sucht - alles im Namen der chinesischen Ein-Kind-Politik; Channel 4, „Dying rooms“ (9. Januar 1996). Siehe auch: Human Rights Watch/Asia (HRWA), Death by Default (1995).

[33] International Union for the Scientific Study of Population (IUSSP), zitiert in The Guardian (5. September 1994).

[34] Washington Post/The Guardian (9. Juni 1994).

[35] The Guardian (2. September 1994).

[36] World Development Report 1997, Tabelle 6.       

[37] US National Academy of Sciences Report (Washington, DC: US Government Printing Office, 1986)

[38] The Guardian, 29. April 1992.

[39] World Bank, World Development Report 1997, Tabelle 6.

[40] Jonathon Porritt, „Birth of a new world order“, The Guardian (2. September 1994).

[41] 1995 betrug die Säuglingssterblichkeit (pro 1000 Lebendgeburten) in den einkommensschwachen Ländern 69 (89 ohne China und Indien) gegenüber 7 in den einkommensstarken Ländern. Die entsprechenden Werte für Kinder unter 5 Jahren waren 103 im Jahre 1993 (144 ohne China und Indien) gegenüber 9! World Development Report 1995 und 1997, Tabellen 27 bzw. 6.

[42] Leitartikel in The Guardian (3. September 1994).

[43] The Observer (4. September 1994).

[44] Karl Marx und Friedrich Engels, Manifest der Kommunistischen Partei (Stuttgart: Reclam, 1989), S. 24.

[45] Shlomo Avinen (Hrsg.), Karl Marx on Colonialism and Modernization (New York: Anchor Books, 1969), S. 5-6.

[46] Karl Marx und Friedrich Engels, Manifest der Kommunistischen Partei (Stuttgart: Reclam, 1989), S.24.

[47] The World Bank Group, Learning from the Past: Embracing The Future (Washington, DC: World Bank, 19. Juli 1994).

[48] Zur Definition des wirtschaftlichen Mehrwerts siehe Paul A. Baran, The Political Economy of Growth (New York: Modern Reader, 1957), Kap. 2.

[49] Siehe André Gunder Frank, Capitalism and Underdevelopment in Latin America (New York: Modern Reader, 1967, 1969).

[50] Siehe Immanuel Wallerstein, The Modern World System (New York: Academic Press, 1974), und The Capitalist World Economy (Cambridge: Cambridge University Press, 1979).

[51] Arghiri Emmanuel, Unequal Exchange, A Study of The Imperialism of Trade (New York: Monthly Review Press, 1972).

[52] Siehe Samir Amin, Accumulation on a World Scale (New York: Monthly Review Press, 1974).

[53] Siehe z.B. John G. Taylor, From Modernization to Modes of Production, A Critique of the Sociologies of Development and Underdevelopment (London: Macmillan, 1979).

[54] Eine Einführung in den allgemeinen Regulationsansatz findet sich in Robert Boyer, La théorie de la régulation (Paris: Editions La Découverte, 1986).

[55] Alain Lipietz, Miracles and Mirages.

[56] Alain Lipietz, Miracles and Mirages, S. 19.

[57] Alain Lipietz, Miracles and Mirages, S. 25-6.

[58] Alain Lipietz, Miracles and Mirages, S. 119.

[59] World Bank, Development and the Environment (Oxford: Oxford University Press, 1992), S. 7.

[60] World Development Report 1998/99, Tabellen 1, 10.

[61] World Bank, Development and the Environment, S. 37.

[62] UNFAO, Sustainable Crop Production and Protection: Background Document (UNFAO: 1991), S. 2.

[63] Barry Hugill, The Observer, (3. März 1996).

[64] UNICEF Report 1994, The Guardian (22. Juni 1994).

[65] Ähnlich argumentiert auch John Holloway von der Universität Edinburgh in Capital & Class: dass wir nämlich in einer Welt leben, wo „nicht etwa reiche Länder arme Länder ausbeuten, sondern das globale Kapital die globale Arbeitskraft ausbeutet“; zitiert in William Keegan, The Observer (6. Feb. 1994).

[66] Gustavo Esteva, „The right to stop development“, NGONET UNCED Feature (13. Juni 1992), Rio de Janeiro.

[67] Siehe „Reclaiming the commons“, The Ecologist, Vol. 22, Nr. 4 (Juli-August 1992), S. 202.

[68] Gustavo Esteva, zitiert in The Ecologist, Vol. 22, Nr. 4 (Juli-August 1992), S. 174.

[69] Siehe Shlomo Avineri (Hrsg.), Karl Marx on Colonialism and Modernization.

[70] Siehe Ted Trainer, Developed to Death.

[71] Cornelius Castoriadis, „The West and the Third World“ in The Broken World (Athens: Upsilon, 1992), S. 91.

[72] Cornelius Castoriadis, The Broken World, S. 96.

[73] André Gunder Frank, „Development, democracy, and the market“, Society and Nature, Vol. 3, Nr. 1 (1995), S. 1-25.

[74] The Ecologist, Vol. 22, Nr. 4 (Juli-August 1992), S. 159. Weitere Zahlenangaben in Tim Lang und Colin Hines, The New Protectionism (London: Earthscan, 1993), Kap. 3.

[75] André Gunder Frank, „Development, democracy, and the market“, S. 12.

 


 

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