Umfassende Demokratie: Die Antwort auf die Krise der Wachstums-und Marktwirtschaft
Vorwort zur deutschen Ausgabe
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Die vorliegende deutsche Ausgabe des Buches Towards an Inclusive Democracy, die auf seine Erstveröffentlichung auf Englisch und die Übersetzungen ins Italienische und Griechische und im Jahr 2002 auch ins Französische und Spanische folgt, ist für das Projekt der umfassenden Demokratie von besonderer Bedeutung, weil die sozialistische Tradition und deren libertäre Seite, zu denen dieses Projekt beitragen möchte, sowohl in der Theorie als auch in der Praxis in Deutschland immer besonders stark gewesen sind.
Nach dem Zusammenbruch des Staatssozialismus nicht nur in Gestalt des „realexistierenden Sozialismus“ im Osten, sondern auch der Sozialdemokratie im Westen besteht heute die historische Chance zu einer Wiederbelebung der demokratischen Tradition. Dies ist um so mehr der Fall, als offensichtlich geworden ist, dass das „soziale Europa“, das die mit Hilfe der grünen Parteien, die sämtliche auf Befreiung gerichteten Projekte fallengelassen haben, in den wichtigsten Ländern Europas an die Macht gekommenen Mitte-Links-Regierungen angeblich schaffen wollten, völlig ungeeignet ist, den heute ablaufenden Prozess der Machtkonzentration auf allen Ebenen zurückzudrängen, der durch die neoliberale Globalisierung so stark vorangetrieben wird. Es nimmt daher kaum Wunder, dass derzeit in ganz Europa die Mitte-Links-Koalitionen durch das „Original“, nämlich durch orthodoxe neoliberale Mitte-Rechts-Parteien, ersetzt werden.
Wie dieses Buch zu zeigen versucht, ist der letztendliche Grund für die gegenwärtige vielgestaltige Krise jedoch in der chronischen Konzentration von Macht zu suchen, die wiederum das unvermeidliche Resultat der Trennung der Gesellschaft vom Gemeinwesen und der Wirtschaft ist, die im Lauf der letzten Jahrhunderte im Rahmen der Marktwirtschaft und der repräsentativen „Demokratie“ auf der ganzen Welt institutionalisiert wurde. Darüber hinaus sind innerhalb der heutigen internationalisierten Marktwirtschaft keinerlei Kontrollen zum effektiven Schutz von Gesellschaft und Natur vor den Auswirkungen des Marktes mehr möglich - nicht einmal die Formen von Kontrolle, derer sich einstmals die sozialdemokratischen Regierungen bedient haben. Gleichzeitig ist die neoliberale Globalisierung selbst irreversibel, da sie das unvermeidliche Ergebnis der Dynamik der Marktwirtschaft - „Wachstum oder Tod“ - darstellt und nicht, wie es die reformistische Linke gern hätte, das Resultat einer kapitalistischen „Verschwörung“ oder „schlechter“ Politik. Tatsächlich kann man den unendlichen „Krieg gegen den Terrorismus“, der nach den Ereignissen des 11. September 2001 von den transnationalen Eliten begonnen wurde, als Projekt der politisch-militärischen Absicherung der neoliberalen Globalisierung - und der dahinterstehenden Neuen Weltordnung - gegen jede potentielle Bedrohung auffassen.
Eine Wiederbelebung der libertären und demokratischen Tradition kann heute aber nicht einfach eine Rückkehr zu dem Klischees des neunzehnten Jahrhunderts bedeuten, und erst recht nicht den Rückgriff aus apolitische Lebensstil-Strategien, wie sie heute von einigen angelsächsischen Libertären propagiert werden. Außerdem ist eine Regeneration der demokratischen Tradition heute unvereinbar mit dem postmodernen Verzicht auf jegliches universalistische Projekt zugunsten eines pseudo-pluralistischen Feierns von „Differenz“ und „Identität“, das die gegenwärtig universal herrschenden Institutionen politischer und wirtschaftlicher Machtkonzentration, nämlich der repräsentativen „Demokratie“ und der Marktwirtschaft, als unverrückbare Gegebenheiten voraussetzt. Gerade daher könnte das starke politische Element der libertären Traditionen des europäischen Kontinents eine entscheidende Rolle bei der Wiedergeburt der demokratischen Tradition spielen.
Zu Beginn des neuen Jahrtausends besteht die zwingende Notwendigkeit zur Formulierung eines neuen, der Realität von heute angemessenen Projekts der Befreiung und zur Schaffung einer neuen „antisystemischen“ Bewegung, die auf die Etablierung der institutionellen Voraussetzungen für eine umfassende Demokratie abzielt. Daher ist das Projekt einer umfassenden Demokratie keineswegs als ein weiterer Vorschlag für ein libertäres Utopia gemeint, sondern als vielleicht einziger realistischer Weg aus der chronischen, inzwischen allgemein gewordenen Krise - indem wir versuchen, die Gesellschaft mit der politischen Gemeinschaft, der Wirtschaft und der Natur zu integrieren.
Takis Fotopoulos
London, Juli 2002
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